Als ich meine Großmutter in ihren letzten Lebensjahren besuchte, fiel mir auf, dass sich im Haus etwas verändert hatte. Aber die Möbel, die Dekoration, nichts hatte sich verändert seit den Tagen, die ich als Kind in ihrem Haus verbracht hatte. Nach ihrem Tod nahm ich die Decke, in die sich meine Großmutter in ihren letzten Jahren eingewickelt hatte. Sie hatte einen besonderen Geruch, etwas Weiches, Beruhigendes. In diesem Moment wurde mir klar, dass das, was sich bei meinen Besuchen im Haus verändert hatte, der Geruch der Räume war. Es war derselbe Geruch, der durch die Wolle der Decke drang.

Erst kürzlich wurde mir klar, dass das, was ich gerochen hatte, der Geruch eines alten Menschen war, der sich im Haus meiner Großeltern ausgebreitet hatte. 

Der Geruch, den die Japaner „Kareishu“ nennen.

Diese Erkenntnis zog eine weitere nach sich: Wenn der Körper im Alter seinen natürlichen Geruch verändert und der typische Geruch älterer Menschen ausströmt, muss es auch einen Geruch „weniger alter“ Menschen geben. Das hat mich dazu inspiriert, dieses Thema weiterzuerforschen, um eine Chronologie der Gerüche im Laufe unseres Lebens zu erstellen und die biologischen Gründe dafür zu verstehen.

Unser Körpergeruch verändert sich im Laufe unseres Lebens. 

Während ich die Überschrift zu diesem Abschnitt schreibe, denke ich, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist. Jeder weiß intuitiv, dass ein Jugendlicher anders riecht als ein älterer Mensch.  

Mir geht es hier darum, uns dessen bewusst zu werden. Die eigenen Ausdünstungen und die der anderen wahrzunehmen. Zu lernen, sie zu erkennen und neugierig daran zu riechen. Aber auch zu verstehen, warum sich unser Körpergeruch verändert und was dahinter steckt.  

Mit zunehmendem Alter verändert sich die chemische Zusammensetzung unseres natürlichen Körpergeruchs. Wenn wir älter werden, verändert sich unser Stoffwechsel, er verlangsamt sich, und damit verändert sich auch der Geruchscocktail, den wir ausströmen. Ähnliche Veränderungen wurden bei verschiedenen Tierarten beobachtet, und es wird vermutet, dass sie es erleichtern, das Alter eines Individuums innerhalb einer Art allein anhand seines Körpergeruchs zu identifizieren.  

Wie eine 2012 veröffentlichte amerikanisch-schwedische wissenschaftliche Studie nachweisen konnte, sind Menschen wie Tiere in der Lage, die Körpergerüche von Personen unterschiedlichen Alters zu unterscheiden und diese Gerüche nach Altersgruppen zu kategorisieren. 

Welchen Nutzen hat der Mensch davon, das Alter eines anderen Menschen „riechen“ zu können?

Die Hypothese, die herangezogen wird, um zu erklären, warum der Mensch in der Lage ist, den Geruch einer Person zu kategorisieren und daraus zu schließen, ob sie älter oder jünger ist, ähnelt sehr stark der im Tierreich vorherrschenden Erklärung: dem Fortpflanzungsinstinkt!  

Dieses Phänomen würde es Männern und Frauen im „fortpflanzungsfähigen Alter“ ermöglichen, diejenigen Partner zu erkennen, die am ehesten in der Lage sind, sich fortzupflanzen, weil sie jünger sind.

Wir haben gesehen, dass der Mensch instinktiv an der Nase erkennen kann, ob ein anderer Mensch jünger oder älter ist. Aber was sind das für Gerüche, die wir in verschiedenen Lebensphasen ausströmen?

Von der Wiege bis zum Altersheim: ein olfaktorischer Parcours

Wenn wir uns, wie es Hirac Gurden in seinem Buch „Riechen“ vorschlägt, von der Wiege des Babys (im Buch ist von der Vorschulklasse die Rede) über das Zimmer eines Teenagers bis hin zum Altersheim bewegen, stellen wir uns sofort ganz unterschiedliche Geruchsumgebungen vor. Ein kleines Eintauchen in die Gerüche der Lebensalter. 

Die Wiege 

Ein Baby riecht „Milch“ aus jeder Pore seiner Haut. Dazu kommen die Cremes und anderen Produkte, die wir verwenden, oft dieselben, die wir in unserer Kindheit bekommen haben. 

Als meine Töchter noch Babys waren und wir in Berlin lebten, habe ich versucht, sie mit Babyprodukten einzucremen, die in Deutschland in den Drogerieregalen stehen, wie z.B. Penate Creme. Unmöglich!!! Es war, als ob eine Aprikose nach Brathähnchen riecht. Mein Baby konnte nichts anderes riechen als Mustela, den Duft, mit dem ich als Kind in den Schlaf gewiegt und meine Puppen gewickelt hatte. So kam es, dass ich meine Freunde, die mich aus Frankreich besuchten, bat, mir Mustela-Produkte mitzubringen. Der Duft macht so süchtig, eine Mischung aus Geißblatt und Honig. 

Für Babys, die in Deutschland aufwachsen, ist die Penate-Creme ein Muss. Sie hat einen orientalischen Puderakkord mit Vanillenoten. 

Der angenehme Duft auf dem Kopf unserer kleinen Lieblinge lässt leider mit der Pubertät nach. 

Das Zimmer eines Teenagers

In der Pubertät verändert sich der Körper durch die Hormone, und mit den Hormonen verändert sich auch den Körpergeruch. Es werden intensivere Gerüche nämlich abgesondert, die einige als unangenehm bezeichnen würden... Und das aus gutem Grund: Der Abbau der neu gebildeten Hormone wird in der Tat einen ganz anderen Geruchscocktail freisetzen, als wir ihn aus unserer Kindheit gewohnt sind. Der Testosteronabbau verursacht indirekt einen Käsegeruch (Buttersäure, Isovaleriansäure) an den Füßen, der Östrogenabbau einen zwiebelähnlichen Geruch. Bei diesen Gerüchen handelt es sich um nichts anderes als „chemische“ Moleküle. 

Diese werden von Bakterien freigesetzt, die sich natürlicherweise auf unserer Haut an den wärmsten und feuchtesten Stellen wie Achseln, Füßen, Leisten und Pofalten befinden, nachdem sie sich vom Schweiß der apokrinen Schweißdrüsen (reich an Lipidverbindungen, Steroidderivaten und Harnstoff) ernährt haben.  

Das mag kontraintuitiv klingen, aber all dies dient einem bestimmten Zweck: einen potenziellen Partner anzulocken. Tatsächlich ist es ein Cocktail aus den gleichen Duftmolekülen, die von den Bakterien auf der Haut freigesetzt werden, zusammen mit all den anderen Produkten, die wir benutzen, wie Seife, Waschmittel auf unserer Kleidung und Parfum, die diese gegenseitige und „exklusive“ Anziehung erzeugen. 

Wie wir in einem anderen Artikel sehen werden, spielt der Geruch des Anderen in der Tat eine grundlegende Rolle in unseren Beziehungen, oder besser gesagt, in der Anziehung oder Abstoßung des Anderen, vor allem in einer Liebesbeziehung. Man kann jemanden kennenlernen, der einen auf allen Ebenen - intellektuell, kulturell, emotional - anzieht, aber wenn in der Intimität die olfaktorische Alchemie nicht stimmt, d.h. wenn man den anderen nicht „riechen“ kann, ist die Geschichte höchstwahrscheinlich zu Ende. 

Das Altersheim 

Wie in der Einleitung erläutert, verlangsamt sich der Stoffwechsel mit zunehmendem Alter. Eine der Folgen dieser Verlangsamung ist die vermehrte Sekretion eines Geruchsmoleküls namens 2-Nonenal, das ab dem 30. Lebensjahr natürlich im Schweiß vorkommt und dessen Produktion mit der Zeit zunimmt. Es ist dieses Molekül, das mit dem charakteristischen Geruch des Alterns in Verbindung gebracht wird, der oft als „Geruch nach alten Menschen“ bezeichnet wird. Die Japaner bezeichnen diesen Geruch, wie bereits erwähnt, als 'Kareishu'. Die oben zitierte Studie aus dem Jahr 2012 zeigte auch, dass Probanden, die verschiedenen Gerüchen ausgesetzt waren, paradoxerweise den Geruch älterer Menschen als angenehmer empfanden als den Geruch jüngerer Menschen. 

Wenn wir an die olfaktorische „Stimmung“ in einem Altenheim denken, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass wir uns nur angenehme Gerüche vorstellen. 

Der sanfte Geruch des Moleküls 2-Nonenal (ich finde, es klingt und riecht so schön wie "Nona") ist oft mit anderen, weniger angenehmen Gerüchen vermischt, die zum Teil auf eine manchmal vernachlässigte Hygiene zurückzuführen sind. Tatsächlich lässt der Geruchssinn ab dem 65. Lebensjahr nach, wenn er nicht trainiert wird. Nach diesem Alter riecht oder „schmeckt“ bis zu einem Drittel der Menschen schlechter, ab 80 Jahren sind es bis zu 50 %. Man spricht hier von Presbyosmie, um die normale Abnahme des Riechvermögens im Alter zu beschreiben. Dieses Phänomen reduziert die Wahrnehmung von Körpergerüchen und kann den Hygiene-Reflex einschränken. Außerdem wird das Altern oft von Krankheiten begleitet, die manchmal spezifische und unangenehme Gerüche verursachen. 


Anders als von Jacques Brel in seinem Lied „Les Vieux“ besungen, riechen ältere Menschen also nicht nur „nach Thymian, Sauberkeit, Lavendel und dem Wort von früher“. 

Und Du, nach welchem Alter riechst Du?

Kürzlich unterhielt ich mich mit einer 75-jährigen Frau, die mir erzählte, dass sie in ihren Sechzigern eine Phase durchlebt hatte, in der sie sich nicht mehr „riechen“ konnte, oder genauer gesagt, in der ihr eigener Geruch unerträglich war. Als unser Gespräch länger dauerte, gestand sie mir, dass sie in dieser Zeit das Gefühl hatte, in den letzten Jahren ihres Lebens wie ihre Mutter zu riechen. 

Diese Frage habe ich mir selbst schon gestellt, wenn sich mein Geruch verändert und ich Ausdünstungen wiedererkenne, die ich früher an meiner Mutter gerochen habe. Dieser süße Duft, der die Bettdecke meiner Großmutter durchdrang: Wie werde ich reagieren, wenn ich ihn eines Tages an mir wiederfinde?

Und wie sieht es bei dir aus? Hast du schon einmal bewusst an dir gerochen und festgestellt, dass sich dein Körpergeruch plötzlich verändert hat? War dieses neue Aroma angenehm für dich oder hat es dich eher gestört? Falls du eine Abneigung verspürt hast, könntest du darüber nachdenken, mit welchen Erinnerungen du diesen Geruch verbindest. Andererseits hast du vielleicht irgendwann auch bemerkt, dass sich der Geruch in deinem Elternhaus im Laufe der Zeit verändert hat? Nimm dir einen Moment Zeit, um mit geschlossenen Augen und weit geöffneter Nase die Menschen um dich herum neu wahrzunehmen. Was sagen dir diese Gerüche?

Du riechst besser als du denkst**.

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Referenzen

BOISSERIE B., Article « De l’âge tendre à la maturité », Nez, la revue olfactive #11, p.86  
GURDEN H., Sentir, pp. 143-145; 192-193, Éditions les Arènes, 2024
The smell of age: perception and discrimination of body odors of different ages“ , Susanna Mitro,  Amy R. Gordon,  Mats J. Olsson,  Johan N. Lundström 
Published in the PLoS One Journal in 2012

**Dieser Titel ist adaptiert von dem Buch Wir riechen besser als wir denken von Johannes Frasnelli (Molden Verlag, 2019)